Montag, 10. September 2012

"Ein B-Movie in Romanform" - Sandman Slim: Höllendämmerung

Klappentext:

Früher war Stark der beste Magier von Los Angeles. Bis ein neidischer Konkurrent seine Freundin ermordete und ihn - im Wortsinn - zur Hölle schickt. Als Stark nach zehn Jahren die Flucht gelingt, kennt er nur ein Ziel: Rache. Und wer in der Unterwelt überlebt, ist eigentlich gegen jeden Gegner gewappnet. Doch neben Menschen, Engeln und Teufeln treibt noch eine weitere übermenschliche Spezies in L.A. ihr Unwesen, vor deren Macht und Bosheit alle Höllenfeuer verblassen...




Kritik:

Was für eine Unsitte ist das eigentlich im Moment, dass so viele Bücher im Präsens und der ersten Person geschrieben sind? Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mich dieser Schreibstil schon öfters von Spontankäufen auf Grund interessanter Klappentexte abgehalten hat und ein solcher Kandidat wäre vermutlich auch dieses Buch hier gewesen. Nun war "Höllendämmerung" aber ein Geschenk meiner besseren Hälfte, was also schon einmal ein sehr guter Grund dafür war, des doch zu lesen ;-).


Was schon vor Beginn auffällt ist die Tatsache, dass der Verlag mit einer "in Arbeit befindlichen" Kinoverfilmung des Titels wirbt. Nun ja, so ganz schlecht dürfte er demnach ja schon einmal nicht sein, auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Verfilmungen von Schund-Literatur. Pulp also. Und genau das ist hier wohl auch das Zauberwort, denn es stellt sich sehr schnell heraus, dass Kadrey offenbar keineswegs die Intention hatte, einen absolut ernsten Roman zu schreiben, sondern sich im Gegenteil ganz bewusst auf eben jene Schiene begeben hat. Nun ja, von der Idee mag man halten was man will, aber sie funktioniert: Da auch die Pressestimmen schon von einem B-Movie-Roman sprechen, geht man natürlich mit der Erwartung daran, dass man eben kein Hochglanzprodukt vorgesetzt bekommt, sondern eher dreckige, trashige Literatur. Nun verbindet man mit Trash ja gemeinhin eher handlungsarme und billige Atmosphäre - was sich hier glücklicherweise nicht bestätigt. Ja, die Story selber klingt schon erschreckend nach "The Crow", das muss man unumwunden zugeben, aber der Autor versteht es gut, diese bekannte Story auf seine eigene, sehr unterhaltsame Art zu erzählen. Kadrey zeichnet einen sich langsam entwickelnden Spannungsbogen, der den Leser schließlich auch bis zum Schluß mitreißt und dabei nur an wenigen Punkten etwas einknickt. Nichts, was man nicht verschmerzen könnte, denn nach diesen kurzen Durchhängern wird das Gaspedal auch wieder schnell durchgetreten und das Buch nimmt erneut Fahrt auf. Atmosphärisch ist der Roman düster gehalten, ohne dabei jedoch das Format der offensichtichen Vorlage zu erreichen - muss er auch nicht, denn auch hier bietet "Höllendämmerung" eine eigene Interpretation, die die pessimistische und misanthropische Weltanschauung des Hauptcharakters immer wieder mit Ironie, Zynismus weniger hintergründigen, dafür aber derben Witzen anreichert (definitv hängen geblieben sind bei mir die Unterhaltungen zwischen Stark und einem abgeschnittenen, aber dennoch lebendigen Kopf...). Ein interessantes Rezept, welches auch gut verdaulich ist. 

Die Charaktere selber sind hingegen eher ein Schwachpunkt des Romans, denn sie sind alle recht oberflächlich gehalten, der einzige über den man mehr als nur die unbedingt notwendigen Details erklärt ist Stark selber, mit Abstrichen vielleicht noch sein "Partner" Vidoq. Alle weiteren Nebenakteure bleiben hingegen eben das: für die Handlung zwar notwendig, davon ab aber nebensächlich. Hier hätte Kadrey noch ein paar Extrapunkte sammeln können, denn für mich wäre es schon interessant gewesen, zum Beispiel mehr über seinen Gegenspieler Mason zu erfahren. Gut, Luzifer und Uriel sind Gestalten, die man schon kennt und nicht noch unbedingt weiter ausstaffiert werden müssen, dennoch bleibt ein etwas trübes Bild übrig. Was man jedoch dennoch erwähnen muss, ist die Tatsache dass jeder auftauchende Charakter auf seine ganz eigene Art und Weise ein bisschen... "durchgeknallt" ist, was sich gut in den Gesamtkontext des Buches einfügt und nicht im geringsten störend wirkt. Zwar wird in diesem Rahmen auch das eine oder andere Klischee bedient, damit kann man aber gut leben, da die Rahmenbedingungen dadurch nicht angegriffen werden.

Zum Humor des Buches habe ich ja weiter oben schon etwas geschrieben, was durchaus auch repräsentativ für "Höllendämmerung" ist. Hier wird ebenfalls das B-Movie-Prinzip gezogen und ausgelebt. Was für viele Filme dieser Machart gilt, ist auch für Kadreys Werk gültig: Gewalt und Humor werden miteinander verwoben. Es wird viel getötet und gestorben und beinahe gestorben und so weiter, allerdings sind diese Passagen nicht so explizit geraten, wie er zuletzt bei den Bourbon Kid-Büchern der Fall war. "Höllendämmerung" verfügt zwar immer noch über eine gewisse Härte, diese steht hier aber weniger im Vordergrund und ist auch nicht so storybestimmend eingebaut, von daher braucht man sich auch nicht so sehr darauf einzustellen, man nimmt sie eher im vorbeigehen mit.

Fazit:

"Höllendämmerung" ist trotz der ungewöhnlichen Erzählperspektive ein gelungenes Buch, wenn man über kleine Detailmängel wie die eher flachen Charaktere und die offensichtliche Verwandschaft des Sandmannes mit der Krähe hinweg sehen kann. Dass es leicht trashig daher kommt, kann ich in diesem Fall absolut nicht als Kritikpunkt nehmen, denn genau das soll die Geschichte um Sandman Slim wohl auch sein. Ich werde jedenfalls die Augen nach dem zweiten Band offen halten müssen.

Bewertung: 7/10 Punkten

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