Dienstag, 11. September 2012

"Zombiefizierte Lyrik" - Max Brooks: Zombieparade

Klappentext:

Seit Jahrhunderten kämpft die Menscheit gegen die Zombies - ein Kampf, der von den Vampiren bislang unbeteiligt bis amüsiert beobachtet wurde. Doch langsam schwant den Geschöpfen der Nacht, dass sie sich werden einmischen müssen, wenn sie nicht riskieren wollen, dass mit den Menschen auch die eigene Existenzgrundlage vom Erdboden verschwindet. Die Zombieapokalypse naht - und das nicht nur in dieser neuen Geschichte von Max Brooks, dem Chronisten alles Untoten.



Kritik:

Wow, nur ein Tag nach seiner letzten Rezension legt uns der Typ ein neues Review vor! Wie macht der Kerl das blos? Nun, das ist schnell erklärt: Zombieparade, eine Sammlung von vier Kurzgeschichten, ist eigentlich nicht viel mehr als ein Büchlein mit gerade einmal 120 Seiten. Und zudem auch noch mit großem Schriftbild. Man sieht also, sonderlich gehaltvoll ist dieses Buch zumindest vom Volumen her nicht. Lohnen sich dann wenigstens die Geschichten?

Zum Teil ja. Natürlich muss man sagen, dass sich bei diesem Umfang natürlich keine großartigen Geschichten erzählen lassen, die Stories selbst sind zwar von der Länge her unterschiedlich ausgefallen, aber eines haben sie alle gemeinsam: Brooks verschwendet keine Zeit damit, einen Spannungsbogen aufzubauen, sondern wirft seine Leser direkt ins Geschehen. Dabei bleibt natürlich auch ein Großteil dessen, was ein gutes Buch ausmacht auf der Strecke. Gute, tiefgründige Charakterzeichnungen, eine nachvollziehbare Geschichte und so weiter. Man möge mich nicht falsch verstehen, mir ist durchaus bewusst, dass man eine Kurzgeschichte nicht mit einem Roman gleichsetzen sollte, aber selbst einen gewissen Effekt sollten auch sie mit sich bringen: nämlich den, dass der Leser gerne weiterliest. Das ist bei Brooks in diesem Buch leider nicht immer der Fall. Ich nehme mir aus diesem Grund die Freiheit, hier jede Geschichte für sich zu zerlegen.


Geschichte 1: Innerer Frieden GmbH

Auf einem ausgemusterten Kreuzfahrtschiff wurde nach dem Zombiekrieg eine Art Ferienressort eingerichtet, auf welchem jedem Kunden genau die gewünschte und passende Erholung geboten werden soll. Diese Geschichte beschäftigt sich mit einem dieser Kunden und ist in gerade einmal 16 Seiten heruntergerissen. Leider ist sie nicht viel mehr als ein einziger langer Gedankengang eben jenes Kunden, der zwar bedingt auf seine Vergangenheit eingeht, dem Leser aber (auf Grund der generell fehlenden Vorgeschichte) nicht die Möglichkeit bietet, sich mit ihm zu identifizieren. Unklar bleibt mir gerade wegen der kurz angerissenen Vergangenheit des Mannes auch, warum er nun ausgerechnet diese spezielle Art der Erholung gewählt hat. Spannung kommt nicht auf und man hat fast schon die Lust, das Buch wieder zur Seite zu legen. Kein sonderlich gelungener Auftakt.

Bewertung: 2/10 Punkten


Geschichte 2: Steve und Fred

Hier hat Brooks eigentlich zwei Geschichten um zwei unterschiedliche Personen verfasst, die nichts miteinander zu tun haben. Ob das nun ein Kniff war, um auf immerhin 22 Seiten Story zu kommen, lasse ich nun einmal dahin gestellt, denn Tatsache ist, dass es sich bei "Steve und Fred" um einen der besseren (wen nicht sogar den besten) Teile des Büchleins handelt. Die Story um Steve krankt zwar auch unter der Tatsache, dass man rein gar nichts über den Protagonisten erfährt, hat aber den großen Vorteil, dass er schnell und actionreich geschrieben ist - und die kurze "Laufzeit" auch lediglich dazu nutzt, eine einzige kurze Szene zu beschreiben, was Brooks auch sehr gut gelingt. Spannend und knackig, sehr gut für eine Shortstory.

Fred hingegen ist nun genau das Gegenteil, funktioniert aber auch sehr gut. Hier geht es um einen einzelnen Überlebenden, der sich schon eine geraume Weile in einer Hoteltoilette versteckt. Brooks setzt hier natürlich nicht auf Action, sondern nutzt geschickt die klaustrophobischen Anfälle seines Protagonisten und lässt ihn seine eigene Situation rekapitulieren. Zwar nicht gerade das, was man eine Ausgeburt an Spannung nennen würde, aber hier sollte sich wohl eher auf die Dramatik konzentriert werden - was auch wieder gelungen ist. Diese Episode ist also wirklich so durchgeflutscht.


Bewertung: 8/10 Punkten
 

Geschichte 3: Zombieparade

Die Titelgeschichte, in der neben Zombies nun auch Vampire auftauchen. Vermittelte Brooks im (echt lesenswerten!) Zombie Survival Guide und auch hier im Vorwort noch den Eindruck, dass er sich tatsächlich für jemanden hält, der sich ernsthaft mit einer gegeben Gefahr auseinander setzt, demontiert er sein Selbstportät hier deutlich. Was aber nicht heißen soll, dass die Geschichte schlecht ist, im Gegenteil. Sie ist die umfangreichste in dieser Sammlung und birgt neben einer tatsächlich spannenden Story auch ein nicht zu knappes Maß an Anspielungen auf unsere heutige Gesellschaft. Klingt ein bisschen so, als ob sich da jemand bei Romero hat inspirieren lassen? Ja, eindeutig. In den Topf wurden dann noch ein, zwei eigenständige Elemente geworfen und fertig war ein gut schmeckendes, wenn auch sehr kurzes, Menü. Erwähnen sollte man noch, dass hier den Charakteren im Gegenzug zu den anderen Geschichten auch etwas mehr Tiefgang verliehen wurde, was tatsächlich dazu führt, dass man sich zumindest ansatzweise mit dem erzählenden Vampir identifizieren kann.

Bewertung: 7/10 Punkten


Geschichte 4: Die Chinesische Mauer

Die letzte Geschichte ist wieder sehr kurz geraten und wie ein Interview aufgebaut. Die Protagonistin ist eine Chinesin, die vom Bau der (neuen) chinesischen Mauer erzählt, der persönlichen Leidensgeschichte, die damit einher gegangen ist und natürlich auch von den Schwierigkeiten, die die Untoten dabei gemacht haben. Leider muss man sagen, dass die Idee zwar gut ist, die Umsetzung aber eher langweilt. Man hat tatsächlich den Eindruck, es mit einem Interview für ein Magazin zu tun zu haben, nicht mit Unterhaltungsliteratur. Gut und schön, aber in letzter Instanz erwarte ich von einem Roman/ einer Kurzgeschichte eben dieses: unterhalten zu werden. Da hilft leider auch der - in dieser Story noch einmal etwas dicker aufgetragene - sozialkritische Anstrich nicht. Nette Idee, aber meines Erachtens nach am Ziel vorbei geschossen.

Bewertung: 4/10 Punkten

Man sieht also, dass Brooks mit "Zombieparade" mehrere gänzlich unterschiedliche Ansätze verfolgt, diese aber nur bedingt funktionieren. Eines haben sie aber alle gemein: stilistisch kann man sich über den Autoren nicht beschweren. Sie sind gut geschrieben, verfallen aber nicht in einen "Larifari-Erzählstil", der für das Zombiegenre (wenn auch eher im Filmbereich) mittlerweile ja trauriger Alltag ist. Wären die Inhalte jetzt alle auf einem ähnlichen Niveau wie die zweite und die dritte Geschichte gewesen, hätte man trotz aller Kürze also von einem rundum gelungenen Werk sprechen können.

Gesamtbewertung: 6,5/10 Punkten

Fazit:

Das Konzept "Kurzgeschichten" wird hier zielgerichtet umgesetzt. Hätte Brooks nun ein paar Seiten mehr verfasst und in den "langsamen" Episoden seinen Figuren mehr Tiefe verliehen, wäre vermutlich ein gutes Buch heraus gekommen. So muss man leider sagen, dass es nur mit Abstrichen empfehlenswert ist. Ich bin gespannt auf "Operation Zombie" - den Survival Guide sollte man übrigens für spontane Apokalypsen-Fälle unbedingt parat liegen haben.

1 Kommentar:

  1. Leider glaube ich, dass Max Brooks unter einem altbekannten Symptom leidet: er möchte verbissen an den Erfolg des Zombie Survival Guide anknüpfen, der ja ziemlich abgefeiert wurde und wird. Leider passieren solche Schnitzer dann eben, wenn man in möglichst kurzer Zeit ein möglichst ebenso gutes Buch raus bringen möchte. Das ist zumindest mein Eindruck.

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